Nach der BILD scheint wohl auch DIE WELT so langsam Bedenken zu bekommen, was passiert, wenn das Corona-Kartenhaus zusammenbricht. Dennoch DANKE !
Erschienen gestern, am 30.08.2021:
30 August 2021
Berechnungen von Mediziner Bertram Häussler besagen: Bei einem Großteil der vom RKI gemeldeten Corona-Toten sei offen, woran sie gestorben sind – die Sterbestatistik werde zunehmend verzerrt. Trotz steigender Infektionszahlen schließt er künftig eine “massive Sterblichkeit” aus.
Der Mediziner und Soziologe Bertram Häussler ist Leiter des unabhängigen Gesundheitsforschungsinstituts IGES in Berlin. Sein Team erstellt seit August 2020 den “Pandemie Monitor” auf Basis wissenschaftlicher Analysen.
WELT: Herr Häussler, wie ernst muss man die Covid Todesfälle nehmen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) täglich meldet?
Bertram Häussler: Da sprechen die Zahlen für sich. Momentan meldet das RKI täglich etwa acht Menschen, die direkt an Corona gestorben sein dürften. Das ist ein leichter Anstieg, vor sechs bis acht Wochen waren es täglich nur zwei. Dem gegenüber wurden auf dem Höhepunkt der zweiten Welle täglich bis zu 1200 Tote gemeldet. Halten wir also fest: Die Sterbezahlen sind sehr niedrig, und – man muss es leider sagen – auch diese Zahl liegt noch zu hoch. Es werden mehr Todesfälle gemeldet, als tatsächlich an Corona gestorben sind.
WELT: Wie kann das sein?
Häussler: Wir haben ermittelt, dass bei gut 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten, die seit Anfang Juli gemeldet wurden, die zugrundeliegende Infektion schon länger als fünf Wochen zurückliegt und man daher eher davon ausgehen muss, dass Corona nicht die wirkliche Todesursache war.
WELT: Wie kann das passieren?
Häussler: In Deutschland gibt es mittlerweile 3,8 Millionen Menschen, die eine Corona-Infektion überlebt haben. Rechnerisch sterben täglich etwa 100 dieser Genesenen an regulären Todesursachen. Nun kommt es vor, dass solche Fälle im Gesundheitsamt einer vor Monaten gemeldeten Coronainfektion zugeordnet werden. Sie gehen dann in die Statistik des RKI als Corona-Sterbefall ein. Da kann es sich dann auch um einen alten Menschen handeln, der sich zwar 2020 infiziert hat, jetzt aber an Herzversagen gestorben ist.
WELT: Was sagt man beim RKI dazu?
Häussler: Die kennen, wissen und bestätigen das. Sie wollen aber sichergehen, dass in der Statistik kein Corona-Toter fehlt. Angesichts massenhaft solcher Meldungen wird die Sterbestatistik so zunehmend verzerrter.
WELT: Wie handhaben andere Länder das?
Häussler: Einige europäische Länder arbeiten mit einer Vier-Wochen-Frist. Wenn sich in Großbritannien etwa jemand infiziert hat und innerhalb von vier Wochen stirbt, dann gilt er als Covid-Toter. Stirbt er später, geht er nicht in die Statistik der Corona Todesfälle ein.
WELT: Wie sind Sie auf die “Corona-Toten” gekommen, die mutmaßlich keine sind?
Häussler: Durch eine spezielle Datenbank, die wir führen. In ihr speichern wir Tag für Tag die gesamte RKI-Statistik, wobei wir jeden Tag gesondert führen. Mit diesem Datenschatz wird es möglich, den als “gestorbenen” Gemeldeten ein Infektionsdatum zuzuordnen. Mit der regulären RKIDatenbank funktioniert das nicht. Dort überlagern die Zahlen sich.
WELT: Das RKI korrigiert seine Sterbestatistik hauptsächlich nach oben, weil Covid-Tote nachgemeldet werden. Hin und wieder tauchen in den Tagesreports aber auch “Minustote” auf, seit Beginn der Pandemie sind es mehr als 1700. Was ist da los?
Häussler: Das ist uns auch schon aufgefallen. Vermutlich handelt es sich um Meldungen von Gesundheitsämtern, die dann am Tag darauf nicht mehr mitgezählt worden waren. Von der RKI-Gesamtsterbestatistik werden diese Fälle nicht abgezogen. Dennoch würde ich keine große Sache daraus machen, dazu ist die Zahl zu gering.
WELT: Statt der Inzidenz soll jetzt die Hospitalisierung zur Messlatte werden. Eine gute Nachricht?
Häussler: Ja, das muss man unbedingt machen. Die Inzidenz sagt kaum noch etwas über die schweren Verläufe aus. Der Grund liegt auf der Hand: Das Durchschnittsalter der Infizierten ist unter 30 gesunken; es infiziert sich vor allem der ungeimpfte Teil der Bevölkerung, und der ist in der Regel jung und wenig gefährdet. Es ist deshalb sinnlos, bei einer Inzidenz von über 50 an einen Lockdown zu denken.
WELT: Gilt das auch für die Delta-Variante?
Häussler: Ja. Die Inzidenz kann noch mal steigen, ja, aber diese massive Sterblichkeit wie um Weihnachten herum oder im März kann auch mit Delta aufgrund der Massenimpfungen nicht mehr passieren. Das kann man sehr schön an Großbritannien sehen: Dort sind alle Clubs geöffnet, es gibt keine Maskenpflicht mehr – dafür Infektionszahlen, die sich gewaschen haben. Aber trotz mehr als 38.000 Neuinfektionen täglich gibt es nur etwa 100 Sterbefälle, und auch die Zahl der Schwerkranken in den Kliniken bewegt sich auf niedrigem Niveau. Diese Zahlen liegen dem RKI vor, werden aber nicht herausgegeben. Vermutlich würde man damit offenlegen, dass die Angabe, ob und wie oft jemand geimpft ist, häufig fehlt. Glücklicherweise kennt man aus den USA Zahlen aus Studien: Sie sagen, dass es nur noch wenig Todesfälle unter Geimpften gibt – und wenn doch, dann waren gravierende Vorerkrankungen oder ein gestörtes Immunsystem im Spiel. Auch die Österreicher haben das analysiert und kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Da fragt man sich doch: Warum haben wir diese Daten in Deutschland nicht?
WELT: Im Westen Deutschlands steigt die Inzidenz, im Osten nicht. Warum?
Häussler: Wir sehen einen Zusammenhang mit dem Ferienende und dem Migrantenanteil in den Bundesländern. Der hat sich schon im vergangenen Jahr bemerkbar gemacht. Viele Migranten möchten im Urlaub in ihre Herkunftsländer fahren, deshalb sind auch in Nordrhein-Westfalen, Bremen oder Berlin die Zahlen deutlich höher als in Sachsen oder Thüringen. Reiserückkehrer aus den Balkanstaaten haben 2020 die Infektionszahlen getrieben; heute sind es vor allem Reiserückkehrer aus der Türkei, wo die Infektionszahlen gerade sehr hoch liegen. Spanien kommt erst auf Platz vier der Infektionsländer.